Nichts war‘s mit dem Kirschenwäldchen - Frau Rath erzählt ... im Wiesbadener Bergkirchenviertel

Samstag, 21. April 2012

Gestern und vorgestern stand Susanne Schäfer mit ihrer Lesung "Die Frau Rath erzählt von der Fahrt ins Kirschenwäldchen" auf der Bühne der Kammerspiele Wiesbaden.
Im Wiesbadener Tagblatt erschien folgende Kritik, die sich doch wahrlich sehen lassen kann.

Die Geschichten ihres episodischen Werks "Dies Buch gehört dem König" hatte Bettine von Arnim dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. ins Stammbuch geschrieben, um ihn zu freiheitlicherem und gerechterem Handeln zu bewegen. Damit Bettine selbst der Zensur entging, wendete sie einen Trick an: Sie ließ Goethes Mutter, ihre Vertraute und Freundin, zur Königin-Mutter sprechen.

Eine der Geschichten, in der "Frau Rath erzählt", haben sich die Frankfurter Schauspielerin Susanne Schäfer, bekannt zum Beispiel aus Heinrich Breloers politischen Doku-TV Dramen wie "Speer und Er", und die Wiesbadener Regisseurin Kathrin Schwedler ausgesucht, um sie in einer One-Woman-Show auf der kleinen Bühne der Kammerspiele im Bergkirchenviertel zu inszenieren.

Teetrinken im Schloss statt geplantem Ausflug

"Von der Fahrt ins Kirschenwäldchen" erzählt Susanne Schäfer, aus der dann doch nichts wurde: Denn bevor Frau Rath sich fertig machen kann, um mit ihrer Freundin Bethmann einen Ausflug zum Kirschenpflücken machen zu können, erscheint ein Bote der Königin von Preußen, der sie zum Tee ins Schloss nach Darmstadt bittet. Das ist natürlich das viel größere gesellschaftliche Ereignis - und Frau Rath wirft sich gebührend in Schale. Susanne Schäfer schlüpft in die Rolle der bauernschlauen Küchenphilosophin mit hessischem Schlappmaul - Letzteres von der gebürtigen Frankfurterin eher dezent eingesetzt - obwohl der Abend nicht als Theatersolo, sondern als Lesung angelegt ist.

Mit kokettem Knicks beginnt sie, und spätestens, als sie sich die weiße Perücke - gänzlich unopulent und in keinster Weise dem entsprechend, was sie im Text beschreibt - auf den Kopf setzt, nimmt man ihr in den meisten Augenblicken des Abends die Figur problemlos ab. Der Abend bei der Königin findet weitgehend als innerer Monolog statt, die schweifenden Gedanken beschäftigen sich mit der Gesellschaft, mit Politik, Freiheit und Manieren genau wie mit Küche und adeligen Gebräuchen.

Ausverkauftes Auditorium erlebte Amüsantes

Höhepunkt des Tages ist das Geschenk einer Halskette, das die Königin ihr macht. Das muss noch am gleichen Abend der gesamten Nachbarschaft präsentiert werden, erst dann kann Frau Rath in Ruhe die von Frau Bethmann mitgebrachten Kirschen schnabulieren. Susanne Schäfer nimmt die Zuhörer mit auf eine Reise zweihundert Jahre zurück, auf die Gedanken, die sich eine gebildete und frei denkende Frau schon damals machen konnte.

Die Figur der "Räthin" entsteht lebendig und kraftvoll auf der Bühne, auch wenn manchmal das Lesemanuskript ein wenig hinderlich wirkte. Doch die kokette Gestik und der immer passende Augenaufschlag half gleich darüber hinweg.

Susanne Schäfer erhielt vom ausverkauften Auditorium herzlichen Applaus für diese amüsante Lesestunde.

Quelle: Wiesbadener Tagblatt